Am 27.9.16 fragte m@u
Sehr geehrter Hofnarr, Wie stehst du und dein "Gaukler-Team" zu folgendem Zitat: "Gnostik ist die Lehre von der Gnosis Was ist Gnosis? Gnosis ist unmittelbare Einsicht - das Finden in sich selbst. Gnosis ist frei von jeder Religion - sie ist die persönliche Gotteserkenntnis im eigenen Selbst. Gnosis ist Wissen, das man nicht erwerben kann, sondern das jeder Mensch in sich trägt. Er kann es nur in sich selbst erkennen. Gnosis weiss den Weg und ist der Weg. Wer es geschafft hat, alle Antworten in sich selbst zu finden, der erkennt: Gnosis kennen nur die, die selber Gnosis sind." (A. Jasinski, Christa Laib-Jasinski; Thalos von Athos, Das Portal, 2014 GartenWeden-Verlag)
Hier die Antwort des Hofnarren:
Lieber m@u
Die von Dir zitierte Definition von Gnosis habe ich nicht gekannt.
Gnosis bezieht sich auf die griechische Wurzel des Wortes, die "Wissen, Streben nach Erkenntnis" meint. Für mein Dafürhalten können wir über einen Wissensweg unter anderem unsere eigene Göttlichkeit erkennen. Rudolf Steiner nennt das die Geburt von Christus in uns. Das meint der erste Teil der von Dir zitierten Definition. Damit kann ich mich auch einverstanden erklären. Ob wir diesen Wissensweg als Gnosis bezeichnen, ist letztlich unerheblich.
Was vom Begriff der Gnosis nicht abgedeckt werden kann, ist die mystische Erfahrung an sich. Sie kann über einen Erkenntnisweg nicht "gemacht" und vom Intellekt nicht verstanden und auch nicht beschrieben werden. Trotzdem ist sie eine Realität und gültig, auch wenn die Fragestellung intellektuell nicht durchdrungen werden kann.
Die mystische Erfahrung wird dem Einzelnen geschenkt, wenn er für diese Erfahrung bereit ist. Die einen machen sie zum Beispiel während einer Bergwanderung, während oder nach einem Schicksalsschlag oder einer schweren Krankheit oder in der Meditation, ganz nach dem Motto von Thaddeus Golas "Der Erleuchtung ist es egal, wie Du sie erlangst". Der Erkenntnisweg der Gnosis kann, aber muss nicht die Basis sein für eine mystische Erfahrung.
Mit dem 2. Teil der Definition habe ich meine Mühe, sie ist mir zu kopfbetont, was mir fehlt ist Demut und die Erkenntnis, dass wir eigentlich kaum etwas Wesentliches wissen: Alle Antworten, die ich auf dem Erkenntnisweg in mir gefunden habe, sollen mir den Weg weisen. Alle Antworten, die mit meinen Gefühlen und meinem Herzen zu tun haben, spielen in dieser Definition keine Rolle. Das finde ich grundfalsch. Ich glaube, wir müssen wieder lernen, auf unser Herz und unsere Gefühle zu hören und diese Stimmen auch in unseren Handlungen zum Ausdruck bringen, auch wenn unser Intellekt das nicht versteht.
Bei meinen Recherchen zum Thema ist mir aufgefallen, dass jeder den Begriff der Gnosis so fasst, dass die Definition seine Thesen unterstützt. Du findest bei Wikipedia eine Definition, es gibt aber auch eine katholische, eine anthroposophische, eine rosenkreuzerische, die von Dir zitierte, die Definition von A. Risi und sicher noch andere. Ich persönlich favorisiere die Definition von A. Risi im Glossar seines Buches "Ganzheitliche Spiritualität". Ich finde sie die klarste und umfassendste. Für Risi ist Gnosis eine Lehre des Dualismus, d. h. das Absolute ist keine Einheit, sondern eine Zweiheit. Gnosis in ihrer esoterischen Form bezeichnet die materielle Welt als Illusion.
Falls Du tiefer in diese Thematik eintauchen willst, empfehle ich:
https://de.wikipedia.org/wiki/Gnosis: WIKI/Gnosis
http://anthrowiki.at/Gnosis: Gnosis aus anthroposophischer Sicht
https://www.rosenkreuz.de/artikel/was-ist-gnosis: Gnosis aus Rosenkreuzersicht
und das Buch von Armin Risi "Ganzheitliche Spiritualität".
Wahrscheinlich ist Dir bekannt, dass die katholische Kirche mit den Gnostikern ihre grosse Mühe hatte. Offenbar wussten die Gnostiker Dinge, die zu wissen den Machtanspruch der katholischen Kirche in Frage stellte. Falls Dich dieses Thema interessiert, empfehle ich Dir nach den Begriffen "Katharer" und "Tempelritter" zu suchen. Die katholische Kirche bekämpft damals wie heute nicht nur alle, die über den Erkenntnisweg, also intellektuell, deren Mittlerrolle zwischen den Menschen und "Gott" bezweifeln, sondern auch alle, welche über eine persönliche Erfahrung ihre eigene Göttlichkeit erlebt haben, also eine sog, "mystische Erfahrung" hatten. Auch diese Menschen bezeichnete die katholische Kirche als Gnostiker, meines Erachtens, wie bereits beschrieben, zu Unrecht. Als Beispiel hierzu diene der Mystiker des Mittelalters Meister Eckhart. Ihm wurde, als gläubigem Katholiken, von der Kirche der Prozess gemacht, weil er die Göttlichkeit eines jeden Menschen nicht nur lehrte, sondern auch selbst erfahren hatte. Damit stellte er den Machtanspruch und die Mittlerrolle der katholischen Kirche in Frage.
Wir brauchen aber nicht in's Mittelalter zu gehen. Eugen Drewermann, ein Theologe und Psychoanalytiker unserer Tage billigt jedem Menschen seine eigene Göttlichkeit zu. Mit grotesken Argumenten versuchte die katholische Kirche ihn mundtot zu machen. 1992 erfolgte seine Suspension vom Priesteramt, 2005 trat Drewermann aus der römisch-katholischen Kirche aus. Ob Drewermann als Gnostiker bezeichnet werden kann, wage ich zu bezweifeln. Falls Du an dieser Thematik interessiert bist, empfehle ich das Buch "Eugen Drewermann, Worum es eigentlich geht". Falls es Dir mehr um Drewermann als Mensch geht, empfehle ich Dir das Interview mit KenFM unter:https://kenfm.de/eugen-drewermann/ und seinen Vortrag in der Urania Berlin unter: https://kenfm.de/eugen-drewermann-urania-04-2016/
Herzlich, Hofnarr und Beraterin