Wilhelm Reich
Die Funktion des Orgasmus ist das Werk Wilhelm Reichs, das die weiteste Verbreitung gefunden hat. Als das Buch 1969 zum ersten Mal in der Bundesrepublik erschien, wurde es mit begeisterter Zustimmung aufgenommen. Seitdem hält die Rezeption dieses fundamentalen sexualökonomischen Werks an. Die Bedeutung der Funktion des Orgasmus liegt in der Radikalität, mit der Reich als erster die zentrale Bedeutung der Sexualität für den Einzelnen und die Gesellschaft erkannt hat. Über Freud hinaus, der die Notwendigkeit der Triebsublimierung für die kulturelle Entwicklung postuliert, stellt Reich die Frage nach den gesellschaftlichen Bedingungen der Neurosenentstehung und kommt zu der Feststellung, dass jede Neurose die Folge einer gestauten Sexualenergie ist, deren Verdrängungsmechanismen von der autoritären Familien- und Ehestruktur automatisch erzeugt werden. Er weist nach, dass die orgastische Potenz gleichzeitig soziale Potenz ist, die eine Humanisierung und ungestörte Leistungsfähigkeit erst garantiert. Die Auswertung seiner klinischen Arbeit führt Reich zu einer grundsätzlichen Aufklärung des Orgasmusreflexes, dessen biologische Abläufe er eingehend analysiert und zum Ausgangspunkt der Vegetotherapie macht, die die muskulären und charakterlichen »Panzerungen« löst und die unterdrückte Genialität freisetzt. Er fordert zur Neurosenverhütung (die für ihn gleichbedeutend ist mit einer Verhütung faschistischer Ideologie) eine der Sexualökonomie entsprechende Gesellschaft, die von den Zwängen einer zu eng konzipierten Institutionalisierung befreit.
ISBN 978-3436014735, Fischer Verlag